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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 14.05.2003
Aktenzeichen: 2 L 317/01
Rechtsgebiete: VwGO, LSA-KAG, BauGB
Vorschriften:
VwGO § 80 V | |
VwGO § 117 V | |
VwGO § 130b 2 | |
LSA-KAG § 6 VI | |
BauGB § 133 II |
2. Für das Erschließungsbeitragsrecht regelt § 133 Abs. 2 BauGB das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht abschließend; ein Rückgriff auf das Kommunalabgabenrecht - hier § 6 Abs. 6 LSA-KAG - ist nicht möglich.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS
Aktenz.: 2 L 317/01
Datum: 14.05.2003
Gründe:
Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.
1. Die geltend gemachten "ernstlichen Zweifel" an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht hinreichend dargelegt.
"Darlegen" bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als ein lediglich allgemeiner Hinweis; "etwas darlegen" verlangt vielmehr soviel wie "erläutern", "erklären" oder "näher auf etwas eingehen" (BVerwG, Beschl. v. 02.10.1961 - BVerwG VIII B 78.61 -, BVerwGE 13, 90 [91]; Beschl. v. 09.03.1993 - BVerwG 3 B 105.92 -, Buchholz 310 [VwGO] § 133 [n. F.] Nr. 11).
Genügte allein die herkömmliche Art der Rechtsmittelbegründung, dann bedürfte es der Zulassungsgründe nicht. Der Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist vor der Zulassung des Rechtsmittels noch nicht, die angegriffene Entscheidung auf ihr Ergebnis hin zu kontrollieren, sondern ausschließlich die Frage, ob das Rechtsmittel zugelassen werden kann. Ob dies der Fall ist, prüft das Gericht nicht von Amts wegen; auch wenn nach der Zulassung im Rechtsmittelverfahren die "Amtsmaxime" des § 86 Abs. 1, 3 VwGO entsprechend gilt (vgl. § 125 Abs. 1 VwGO), hat der Gesetzgeber dem Rechtsmittelführer für das vorgeschaltete Antragsverfahren die besondere "Darlegungslast" nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO 02 auferlegt. Aus dem deutlichen Unterschied dieser Regelung im Vergleich zu der über die Berufungsbegründung (§ 124a Abs. 3 S. 1, 4 VwGO 02) folgt, dass sich die "Gründe" i. S. des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO 02 auf die Zulassungsfragen beziehen müssen und nicht lediglich die angefochtene Entscheidung selbst in Frage stellen dürfen; erst die Berufungsbegründung des § 124a Abs. 3 VwGO 02 ist mit der früheren Art einer Rechtsmittelrechtfertigung vergleichbar.
Das gilt auch für § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; er hat nicht etwa die Bedeutung, Anträgen, welche aus anderen Gründen nicht zur Zulassung führen, sozusagen auffangweise zur Zulassung zu verhelfen, sondern ist Teil des Systems, das grundsätzlich keine Rechtsmittelinstanz eröffnet und die Zulassung nur ausnahmsweise ermöglicht, indem es die Durchführung des Rechtsmittels von dessen Zulassung abhängig macht. Auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann sich nicht schon berufen, wer die angefochtene Entscheidung mit Hilfe einer "Rechtsmittelbegründung alten Rechts" in Frage stellen will, indem er sich mit der Entscheidung auseinander setzt und Gegenpositionen bezieht. Der Darlegungslast genügt vielmehr nur, wer den "Grund" benennt, der ausnahmsweise die Zulassung rechtfertigt, und dessen Voraussetzungen "schlüssig" beschreibt.
Dazu gehört bei § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass belegt wird, es beständen gerade "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit" der angefochtenen Entscheidung. Dies verlangt zunächst, dass der Antrag einzelne tatsächliche Feststellungen des Gerichts oder Elemente der rechtlichen Ableitung konkret bezeichnet, die beanstandet werden sollen, sowie zusätzlich, dass aufgezeigt wird, aus welchem Grund die konkrete Passage ernstlichen Zweifeln begegnet. Da § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO außerdem verlangt, dass ernstliche Zweifel an der "Richtigkeit" des Ergebnisses bestehen, muss der Antragsteller ferner darlegen, dass das Gericht bei Vermeidung der gerügten Fehler zu einer anderen, für den Rechtsmittelführer positiven Entscheidung gelangt wäre.
Diesen Anforderungen genügt die Zulassungsschrift nicht. Soweit sie geltend macht, aus dem verwaltungsgerichtlichen Urteil lasse sich nicht erkennen, auf welchen Erwägungen die Entscheidung beruhe, vermag dieses Vorbringen schon keine "ernstlichen Zweifel" an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu begründen. Darin könnte allenfalls das Geltendmachen der Verletzung der Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 S. 2 VwGO und damit eines Verfahrensfehlers gesehen werden. Ein solcher liegt indes nicht vor.
Den Verwaltungsgerichten ist es nicht verwehrt, sich in ihren Entscheidungen auf eine den Beteiligten bekannte frühere Entscheidung - auch auf Entscheidungen nach § 80 Abs. 5 VwGO - zu beziehen, sofern die Beteiligten und das Rechtsmittelgericht aus den mitgeteilten Entscheidungsgründen in Verbindung mit der in Bezug genommenen früheren Entscheidung die maßgebenden Erwägungen für die neue Entscheidung entnehmen können. Diese Rechtslage wird durch § 117 Abs. 5 VwGO und § 130b Satz 2 VwGO nicht eingeschränkt, sondern lediglich für die dort angesprochenen Fälle klargestellt (BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1998 - BVerwG 5 B 94.98 -; stRspr).
Im angefochtenen Urteil und durch die Bezugnahmen sind auch im gebotenen Umfang die Gründe angegeben, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend geworden sind.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Verwaltungsgericht seiner aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitenden Verpflichtung nicht nachgekommen ist, den Sachvortrag des Klägers zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen.
Art. 103 Abs. 1 GG ist nur dann als verletzt anzusehen, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass ein Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 25, 137, 140; 46, 315, 319; 47, 182, 187; 51, 126, 129; 85, 386, 404; stRspr.). Hierbei kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein Gericht das von ihm entgegen genommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfGE 22, 267; 96, 205, 217; stRspr.). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG wird nur dann festzustellen sein, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 65, 293, 295; 70, 288, 293). Solche besonderen Umstände werden in der Regel vorliegen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht (vgl. BVerfGE 86, 133, 146). Dies gilt allerdings nicht, wenn der Sachvortrag nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE 86, 133, 146).
Die angefochtene Entscheidung genügt diesen Vorgaben. Konkrete Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass das Verwaltungsgericht den Sachvortrag des Klägers nicht zur Kenntnis genommen oder unzureichend erwogen hat, liegen nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat sich in seiner Entscheidung mit allen wesentlichen Elementen des Sachvortrags des Klägers inhaltlich auseinandergesetzt. Dass dies zum Teil durch Bezugnahme auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheid und des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO geschehen ist, unterliegt mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG keinen Bedenken.
Unzutreffend ist die Auffassung des Klägers, § 6 Abs. 6a KAG-LSA sei auch im Erschließungsbeitragsrecht anzuwenden. Das Erschließungsbeitragsrecht enthält in § 133 Abs. 2 BauGB eine abschließende Regelung über das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, so dass § 6 Abs. 6 KAG-LSA keine Anwendung findet. Im übrigen ist § 6 Abs. 6a des KAG-LSA verfassungswidrig und nichtig. Dies hat das Landesverfassungsgericht mit Urteil vom 15. 01.2002 (- LVG 3/01 und 5/01 -) festgestellt. Nach § 30 Abs. 2 des Landesverfassungsgerichtsgesetzes haben Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts, soweit durch sie ein Gesetz als mit der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt unvereinbar und für nichtig geklärt wird, Gesetzeskraft.
2. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung liegt ebenfalls nicht vor.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine (auch) für die Rechtsmittelentscheidung erhebliche, klärungsbedürftige, insbesondere höchst- oder obergerichtlich nicht (hinreichend) geklärte Frage allgemeiner, fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder ihrer Fortentwicklung der gerichtlichen Klärung bedarf (Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde, 1971, RdNr.106, BVerwG, Beschl. v. 17. 07.1987 - BVerwG 1 B 23.87 -). Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche, fallübergreifende Bedeutung nur dann zu, wenn sie im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Maßstab sind dabei stets die Interessen der Allgemeinheit, nicht die des Betroffenen. Mit bloßen Angriffen gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die individuell erhebliche Bedeutung oder dem Hinweis auf einen Grundrechtsbezug bzw. -verstoß kann die grundsätzliche Bedeutung nicht ausreichend dargelegt werden.
Die Rechtsfrage muss für eine Vielzahl, jedenfalls Mehrzahl von Verfahren bedeutsam sein. Jedoch reicht allein der Umstand nicht aus, dass der Ausgang des Rechtsstreits auch für andere Personen von Interesse sein könnte oder sich vergleichbare Fragen in einer unbestimmten Vielzahl ähnlicher Verfahren stellen.
Eine Frage, die diesen Anforderungen genügt, formuliert die Zulassungsschrift nicht.
Ende der Entscheidung
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